Der Bairische Blues fährt ins Blaue - und ist dann mal weg

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Bath / Fishguard

Bath

Montag, 2.5.2022

Bath! Ihr müsst unbedingt nach Bath. Bath dürft ihr euch nicht entgehen lassen... So schallt es uns seit Wochen aus englischen Mündern entgegen. Und deswegen sind wir nun da, um dem Drängen der vielen gutmeinenden Engländern zu entsprechen.  

Nur: Der Chronist verdaut auch noch morgens an den 2700 kcal des Sonntagsbratens herum (plus Nachspeise, Gin und Bier) und fühlt sich weder in der Stimmung noch in der Lage, einen Bummel durch die Stadt zu machen. Aber die Reiseleiterin möchte. Sie ist mit dem Verdauen schon ein Stück weiter, wie sie generell vieles schneller verdaut als der Chronist. Und so beschließt sie, die Stadt allein zu besuchen.  

Fahrt nach Bath mit dem Doppeldecker

Ein kurzer Hundespaziergang muss es tun, ein knappes Frühstück auf die Faust mit O-Saft und Pain au Chocolat, und dann ist sie um 9:15 Uhr weg. Grau ist es und trüb, aber ohne Regen. Und der Chronist denkt über die nächsten Sätze seiner Reiseberichterstattung im Bett nach.  

Durch Bath fließt der Avon. Das ist jedoch nicht der Grund, dass man die Stadt besuchen sollte, selbst wenn er den Besuchern der Stadt aus Stratford-upon-Avon einige Sonette von Shakespeare mitbringen sollte. Bath ist eine der ältesten Bäderstädte überhaupt. Schon die Römer haben die warmen Quellen ab 43 n. Chr. zu römischen Bädern entwickelt. Doch diese einzigen heißen Quellen Englands waren schon in vorrömischer Zeit bekannt. Seit Elizabeth I wurde Bath immer mehr zum Bade- und Kurort der Wohlhabenden. Das ging wie bei allen Bädern und Seebädern mit aufwendigen und teils protzigen, jedenfalls zeitgenössischen Baumaßnahmen einher.  

Aus den Prachtbauten jener Zeit bezieht Bath bis heute seine Attraktivität. Das meiste Interesse liegt logischerweise auf den gut erhaltenen Römischen Bädern, die Ausgangspunkt für die Bedeutung Baths bis in unsere Zeit sind. Mit ihren perfekt gestalteten Animationen transportieren sie eine dichte Atmosphäre jener Zeit in die Gegenwart. Die Reiseleiterin ist ganz entzückt und findet sogar die 20 £ Eintritt durchaus vertretbar.  

Der Royal Crescent (Königlicher Halbmond) entstand um 1770 und ist ein halbkreisförmig umbauter Platz von etwa 130 Metern Durchmesser, der den Blick in den Victoria Park öffnet. Die Parkseite ziert ein Säulengang aus 114 ionischen Halbsäulen, die Rückseite bilden 30 Reihenhäuser aus dem späten 18. Jh.  

Wenn man 200 Meter nach Osten geht, steht man auf dem nur wenige Jahre zuvor entstandenen Circus, ein kreisrunder Platz mit beeindruckenden Stadthäusern. Der Häuserkreis ist nur durch drei Straßen unterbrochen, deren Einmündungen den Kreis dritteln. Der teilweise ins 16. Jh. verweisende klassizistische Baustil beider Plätze trägt dem Bedürfnis des Bürgertums Rechnung, zumindest architektonisch zur Aristokratie aufzuschließen.  

Eine besondere Attraktion ist die Pulteney Bridge, die den Avon überspannt und die City mit den Ländereien der Familie Pulteney verbindet, deren Anliegen es war, ihre Ländereien besser erschließen zu können. Sie ist 45 Meter lang und 18 Meter breit und wurde 1774 fertiggestellt. Das Besondere an ihr sind die Läden und Wohnungen, die in ihr integriert sind, wodurch sie, sicher nicht ganz zufällig, an die Rialtobrücke in Venedig erinnert. Trotz mehrerer Versuche, die Brücke nur Fußgängern zugänglich zu machen, darf sie auch heute noch von Bussen und Taxis genutzt werden.  

Nach weiteren 20 Minuten Fahrt ist die Reiseleiterin glücklich und zufrieden um 12:15 Uhr wieder zurück und bedauert den Zurückgebliebenen aufrichtig, dass er sich das hat entgehen lassen. Zum Trost bringt sie ihm (und sich) Pasties mit. Kaum ist er mit der Last des Vortags im Reinen, wartet schon wieder Gehaltvolles auf ihn. Die Pasties müssen warten, jetzt ist er bereit für die nächsten Großtaten. Die Hunde bekommen nochmal einen kleinen Auslauf und dann laufen auch wir aus dem Hafen des Globe Inn aus.  

Es ist 13:45 Uhr, trüb und bedeckt bei 16 °C. Wir haben beschlossen, keine weiteren Stopps mehr in England zu machen: Irland wir kommen. Jetzt, sofort. Kein Codswolds, kein Wales, am Ende bleiben wir vor lauter heißer Empfehlungen noch hier hängen.  

Um 14:30 Uhr überfahren wir die Grenze zu Wales, auch hier ist es grau und trüb bei gelegentlichem Regen.  

Um 17:10 Uhr fahren wir auf den Parkplatz von Goodwick Moor [N 52° 00' 05,4'' W 004° 59' 34,3''], nur ein Katzensprung vom Fährhafen Fishguard. 252 Kilometer liegen hinter uns und sechseinhalb Stunden bis zur Abfahrt der Fähre vor uns. Aber der Himmel lacht uns freundlich bei 14 °C. Das lässt man sich gerne gefallen.  

Was macht man auf einem solchen Parkplatz, der nichts als ein Parkplatz ist? Man streckt sich aus und sammelt Kräfte für die Zukunft. Doch wie heißt es so treffend: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Der böse Nachbar sind in unserem Fall gleich 17 an der Zahl: italienische Konvoi-Mobilisten. Und ganz egal, ob Italiener im Konvoi fahren oder sich nur durch Zufall irgendwo zusammenfinden, neben denen schläft niemand mehr. Sie haben auch kein Problem damit, die zwei Anwesenden, wir und noch ein Engländer, komplett zuzuparken, mit Möbeln zu umstellen und Party zu machen. Goodwick Moor ist jetzt für einige Stunden Goodewicke Palude und Fishguard Guardia Pesce.  

Um 18:30 Uhr, endgültig zur Erkenntnis gelangt, dass die italienischen Momente des Lebens nicht nur Beglückung, sondern vor allem Schlafmangel mitsdich bringen, machen wir einen kurzen Rundgang und kaufen bei einem Schnell-TESCO einige Kleinigkeiten ein, darunter – Brezen. Sie werden vom noch immer um seine Souveränität kämpfenden Magen des Chronisten buchstäblich in die Tüte gezwungen. Um 19:30 Uhr bereiten wir uns mit einer kleinen Brezenbrotzeit auf die Überfahrt vor. Jetzt kann die See rumoren, wie sie möchte, die Breze hält den Mann im Lot.  

Um 21:15 Uhr rollen wir langsam zum Check-In, der nur zwei Minuten vom Parkplatz auf uns wartet. Am Check-In teilt man uns mit, dass sie von uns nichts bräuchten, weil sie aus der Internet-Buchung schon alles von uns hätten. Wir können uns anstellen und warten, bis es weitergeht. Prima. Also anstellen und warten – 45 Minuten.  

Um 22 Uhr werden wir zur Zollkontrolle gerufen. Dort hat man auch kein Problem mit uns, aber die Mädels müssen raus, damit der Grenzer einen Blick in den Franz werfen kann. Gas abgedreht? Nee, noch nicht. Dann sollten wir das eben jetzt erledigen, wir hätten ja noch genug Zeit dafür, bis wir auf die Fähre dürfen. Und wieder in der Schlange stehen und warten. Gas abdrehen. Dösen. Eineinhalb Stunden...  

Auf die Fähre werden wir dann schließlich um 23:30 Uhr gewunken. Es ist nicht viel los, aber wir bekommen einen Platz auf der untersten Ebene bei den LKW. Uns ist das egal, und die Mädels werden die Überfahrt eine Etage höher auch nicht mehr genießen.  

Wir sehen uns ein wenig um, holen uns ein Bier und einen Cider und machen es uns dann auf einer unangenehm geschwungenen Plastikbank mit Armlehnen „bequem"; in den Saal mit den gemütlichen Sesseln wollen wir nicht, dort läuft der Fernseher. Wir sind ja noch jung und gelenkig. Als die Fähre um 23:50 Uhr ablegt, sind wir schon fast weggedöst.  


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Carrick-on-Bannow
Bath