Der Bairische Blues fährt ins Blaue - und ist dann mal weg

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Carrick-on-Bannow

Hedda und Izzy am Bannow-Bay

Dienstag, 3.5.2022

Um 3:35 Uhr fahren wir in Rosslare von der Fähre und sind in Irland. Ab sofort gelten wieder Euro und Kilometer, allerdings wird das Bier auch hier in Pint gemessen.  

Endlich ist der Chronist einem seiner innigsten Wunschländer angekommen. Seit er in den späten 60er Jahren von der irischen und keltischen Musik gefangengenommen wurde, wollte, nein: musste er nach Irland. Geklappt hat es nie. Aber nun ist er da! Man muss dem Leben eben Zeit lassen, das eigene Tempo zu gehen, irgendwann kommt es schon an, und wenn nicht, ist es eben ein anderes Leben geworden als man sich vorgestellt hat.  

Sicher hat er sich nicht vorgestellt, dass er seine erste Begegnung mit Irland nachts um Vier beim Agricultural Check würde zelebrieren müssen. Aber die sehr umgängliche und freundliche Grenzerin legt uns dringend ans Herz, gleich zur Überprüfung der Hunde dort hin zu fahren. Ob es denn nicht später auch noch früh genug wäre, wollen wir wissen, aber sie wiegt ihr blondes Haupt bestimmt: nein, es wäre sicher besser, wenn wir gleich fahren würden, ist nur einen knappen Kilometer dorthin, nach dem Roundabout rechts die Straße hoch, dann würden wir eine große Tafel sehen, auf der Customs steht, dort sollten wir hineinfahren. Der Rest ergebe sich von selbst. Wenn ein Ire oder Engländer sagt „es wäre sicher besser", meint er oder sie, dass man jetzt nicht herumzicken, sondern einfach losfahren soll. Ende der Ansage.  

So folgen wir ihrer Anweisung und dem kopierten DIN-A4-Blatt, das sie uns noch in die Hand gedrückt hat und auf dem der Weg aufgezeichnet ist, sehen das Customs-Schild, biegen ein und werden schon mit einer roten Taschenlampe auf den rechten Weg gebracht. Wir folgen noch zwei winkenden und kreisenden Taschenlampen, bis wir vor dem Zoll stehen und eine Beamtin, für die Morgenstunde ausgesprochen frisch und aufgeräumt, bereits heraneilt, um unsere Mädels einer Inspektion zu unterziehen. Die Chipnummern werden mit den Impfpässen abgeglichen und die Impfpässe überprüft. Alles in Ordnung. Jetzt dürfen wir, freundlich verabschiedet, wieder zurück, geleitet von drei kreiselnden Taschenlampen, wir grüßen immer sehr freundlich und werden ebenso freundlich zurückgegrüßt, dann wieder die Straße zurück, den Berg hinunter und ab auf den Fährparkplatz. Es ist bereits 4:25 Uhr, als wir dort ankommen [N 52° 15' 08,7'' W 006° 19' 59,3'']. Im Gegensatz zu den Walisern in Fishguard wollen die Iren für ein Schläferstündchen etwas Geld sehen: Pro Std = 1 €, für den ganzen Tag werden 5 € fällig. Wir bezahlen für einen Tag.  

Jetzt schenken wir uns einen Gin Tonic ein, begrüßen Irland auf echt boarisch „Grias di, Eire" und legen uns um 5 Uhr schlafen.  

Um 10:30 Uhr sind wir frisch und bereit, Irland zu entdecken. Es ist bedeckt bei 14 °C.  

Unser erster Stopp – stopp, der bedarf einer Erklärung, und diese Erklärung ist eine jener Geschichten, die das spontane Reisen so sehr bereichern.  

Der Rassezuchtverein, in dem wir züchten, gibt ein monatliches Mitgliedermagazin heraus, Der Hovawart. Diesem Heft liefert die Reiseleiterin eine monatliche Fortsetzungsgeschichte über unsere Fahrt ins Blaue mit Fokus auf den Umständen, wenn man mit Hunden reist. Der Leser des Hefts erfährt also nicht, was die Reisegruppe zum Nachtmahl verschlang, sondern ob es schöne und ausreichende Spazier- und Wanderwege gibt und ähnlich Informatives und noch einiges darüber hinaus. Eines Tages im frühen Frühjahr erreicht uns die Mail einer Leserin, die uns von der Pressestelle weitergeleitet wurde. Der Inhalt dieser Mail lautete stark verkürzt: Ich verfolge mit Interesse die Reiseberichte des Bairischen Blues und erfahre dabei, dass die Reisegruppe plant, eventuell auch Irland zu besuchen. Ich lebe seit 20 Jahren in Irland, habe eine ein Jahr alte Hovawarthündin und würde mich freuen, die vier bei uns begrüßen zu dürfen. Wir leben nur wenige Kilometer von Rosslare, dem Fährhafen, entfernt. Wäre schön, wenn es klappen würde.  

Und ob das klappt! Wir haben damals sofort Kontakt aufgenommen und gehalten und wissen demnach heute Morgen genau, wo unser heutiges Ziel liegt.  

Um 11:15 Uhr schlüpfen wir durch ein rotes Tor auf eine schmale Zufahrt, schmusen den Franz über eine Bohlenbrücke und stehen vor dem Heim von Britta und Matthijs in Carrick-on-Bannow. Neugierig, wie nicht anders zu erwarten, umtanzt die einjährige Blondine Izzy das Monster, das sich soeben in ihrem Garten breitmacht. Wir haben uns noch nie gesehen und nichts voneinander gewusst, aber die Begrüßung ist herzlich und herzerfrischend. Jetzt müssen nur noch die drei Mädels miteinander klarkommen, aber darüber machen wir uns keine ernsthaften Sorgen. Fianna und Hedda haben schon so viele Begegnungen souverän gemeistert, warum sollte es mit Izzy nicht ebenso gelingen. Die beiden wissen, dass sie sich auf fremdem Terrain bewegen, Izzy hat es mit zwei gestandenen Weibern zu tun, da backt man auch auf dem eigenen Grund und Boden erst einmal kleine Brötchen. Und eh wir uns versehen, zeigt Izzy ihren neuen Freundinnen ihr Reich und die lassen sich gerne herumführen.  

Und dann gibt es Frühstück, unser erstes in Irland, kurioserweise bei einer Deutschen und einem Holländer. Die Welt ist eben klein und vielfältig – und Irland ist immer noch in der Europäischen Union, in der Platz für alle und überall ist. Jedenfalls war es so einmal gedacht...  

Um 14:30 machen alle fünf Damen einen ausgedehnten Spaziergang, während sich die Männer in ihr Reich zurückziehen und ernsthaftere Dinge betreiben.  

Abends sitzen wir bis fast 22 Uhr auf der Terrasse, dick in Decken gepackt, und plaudern uns die Welt zurecht. Worüber sprechen Hovawartbesitzer? Ja, was wohl! Und gerade deswegen gibt es viel zu vermitteln und auszutauschen. Schon in Deutschland ist die große Hovawartwelt letztlich eine sehr kleine Welt, in der jeder jeden kennt. Wie viel enger das in Irland ist, wissen wir am Ende dieses Abends, kennen alle wichtigen „Player" und fühlen uns schon fast eingemeindet. Und so freuen wir uns sehr darüber, zum irischen Hovawarttag am 29. Mai in der Nähe von Dublin eingeladen zu werden. Wenn wir oder der Franz bis dahin nicht schlappmachen, kriegen wir das bestimmt hin, weil es kaum etwas Wichtigeres geben dürfte.  

Aber natürlich reden wir nicht nur über Hovawarte, sondern erfahren viel über das Leben in Irland, vor allem das, was sich seit dem Brexit und Covid geändert hat. Und das sind vor allem die Preise; Irland ist immens teuer geworden. Ein Beispiel sollte für den Anfang genügen: Mietwagen, die vor Jahresfrist noch 30 bis 50 € gekostet haben, kosten heute 250 €. Das kann sich auch kein Ire mehr mit Saufliedern schönsaufen. Da hängt auch der irische Himmel nicht mehr voller Fiddeln.  

Und die ganze Zeit über schlawinern unsere drei Mädels wie gickelnde Teenager durch Izzys Reich. Und die ist so stolz auf ihre neuen Freundinnen. Wer sagt's denn.

Bier und Wein haben uns schläfrig gemacht, aber letztlich nichts gegen die in die Knochen kriechende Kälte ausrichten können. Wir müssen uns in unsere Schneckenhäuser zurückziehen, obwohl wir uns noch so viel zu erzählen hätten. Dieser erste Tag in Irland hat bei uns vor allem eines ausgelöst: Wir wollen mehr.  

Bier und Wein haben uns schläfrig gemacht, aber letztlich nichts gegen die in die Knochen kriechende Kälte ausrichten können. Wir müssen uns in unsere Schneckenhäuser zurückziehen, obwohl wir uns noch so viel zu erzählen hätten.  

Dieser erste Tag in Irland hat bei uns vor allem eines ausgelöst: Wir wollen mehr. Irland verfügt schon jetzt über eine Strahlkraft, die sogar eine gänzlich unirische Abendgesellschaft in seinen Bann zieht. Wir wissen nicht, was es ist, möglicherweisen sind es die Feen, die überall unter den Weißdornsträuchern wohnen, deretwegen Britta und Mathijs im Kaufvertrag für dieses kleine Anwesen garantieren mussten, die Weißdornbüsche nie zu entfernen. Und ob es auch die Feen sind, die uns eine Einladung zum Irischen Hovawarttag am 29. Mai in der Nähe von Dublin zukommen ließen? Vielleicht haben wir ja noch ein paar Feen in unseren Kleidern aus Glastonbury mitgebracht und uns damit hier Freunde gemacht? Wir nehmen Irlands Einladung und die zum Hovawarttag nur zu gerne an.  

Wie wir alle wissen, hat Irland eine lange und reichhaltige musikalische Tradition, und viele von uns haben zwar Irland selbst nie kennengelernt, singen aber seine Lieder. Eine lange, oft leidvolle Geschichte brachte ein Übermaß an Songs und Tunes hervor, die kaum eine Stadt oder Region unbesungen lässt. Deshalb wollen wir für alle Orte, die wir besuchen, nach einem musikalischen Juwel stöbern. Das obige Lied sollte den Anfang machen und gehört bestimmt zu jenen, die man nicht auf einem Irland-Sampler wiederfindet.

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Saltee Island
Bath / Fishguard