Der Bairische Blues fährt ins Blaue - und ist dann mal weg

Schriftgröße: +
4 Minuten Lesezeit (844 Worte)

Coin, Ardnageeha Forest & Lough Corrib

Lowtown

  Montag, 30.5.2022

Die neue Woche beginnt mit sehr ruhigem Wetter am Kanal. Und auch die Nacht war ein Genuss an Stille und Frieden. Aber außer Stille, Frieden und Schiffssenioren stehen am Kanal auch Toiletten und Duschen zur Verfügung, die Schlüssel dafür müsste man sich bei der Brückenwache abholen, so wie das in vielen Marinas üblich ist. Wir brauchen das nicht, wir haben Toilette und Dusche an Bord.

Auch die Wahl der Hunderunde macht keine Qual, weil man einfach auf unserer Seite des Kanals hochgeht bis zur Brücke, dann auf der anderen Seite zurück bis zur nächsten Brücke, diese überquert und wieder am Ausgangspunkt ankommt. Dazu muss die Dogwalkerin noch nicht einmal einen ihrer digitalen Pfadfinder bemühen. Aber man darf sich nicht täuschen: Da kommen in einer Stunde, so lang dauert das Geviert, fix vier Kilometer zusammen. Über Bewegungsmangel dürfen sich die Mädels jedenfalls nicht beklagen.  

Nach einem betulichen Frühstück fahren wir um 12 Uhr bei bewölkten 14 °C los. Es geht wieder nach Westen, Dublin interessiert uns im Moment nicht, wir wollen nach Connemara, dorthin, wo Irland am urigsten ist, und vielleicht auch noch nach Donegal, wo Irland am irischsten ist.  

Nach wenigen Minuten machen wir in Allenwood Halt, um in einem Dorfsupermarkt einige wichtige Substanzen für unser Überleben einzukaufen, doch unfortunately führen die fast nichts von dem, was wir brauchen und wenn doch, dann nicht in einer Qualität, die uns glücklich macht. Es ist eben wieder einmal nur das pappweiche Kleisterbrot, das hier ganze Regalwände belegt, aber, wie die Finninnen meinten, letztlich nur Zahnfäule fördert und die nicht enden wollenden Kühlregale mit Fertiggerichten, in einer Menge und Vielzahl, wie wir sie bisher tatsächlich nur in England und Irland vorgefunden haben; kein Wunder, dass Jamie Oliver mit uns zusammen der Meinung ist, die Insulaner seien mehrheitlich zu dick.  

Unser Aufenthalt in Allenwood hält sich demnach in engen Grenzen. Wir streben weiter gen Westen, jetzt durch die Inselmitte, quasi über den Äquator Irlands. Hier hat Irland wenig mit dem zu tun, was man sich vorstellt. Die Insel ist zwar weiterhin grün, aber es fehlen die forty shades, weil es Bauernland und Buschland ist. Schafe weiden bis zum Horizont, mehr aber noch Kühe, wie fast überall mit ihren Kälbern, ein Anblick, der bei uns der Vergangenheit angehört. Das ist nicht das Land, das man sich vorstellt, wenn man an Irland denkt; es ist, ehrlich gesagt, langweilig. Nur die einsamen und abgelegenen Abschnitte über enge Straßen und durch wirres und irres Buschland verschaffen etwas Abwechslung und Spannung. Hier könnte es durchaus sein, dass wir Fuchs und Has' bei ihren langwierigen Friedensverhandlungen von der Straße vertreiben, weshalb wir uns für die weiter mangelnde Koexistenz der beiden Arten mitverantwortlich fühlen müssen. So wendisch wie die Landschaft ist auch das Wetter, das uns im Viertelstundentakt mit Regengüssen und freundlichen Aufhellungen beglückt. 

In Ballinrobe finden wir um kurz vor 16 Uhr bei ALDI [N 53° 36' 56,3'' W 009° 13' 25,7''] endlich, was wir in Allenwood vergeblich suchten, tragen jedoch – auch das ist nicht neu – wieder einmal etwa dreimal so viel aus dem Laden wie geplant und benötigt.  

Um 16:30 Uhr fahren wir bei Regen und 14 °C weiter und erreichen nach einigen geschäftigen Ortsdurchfahrten um 17 Uhr unser heutiges Ziel, den Ardnageeha Forest Recreation Park bei Cong [N 53° 31' 29,7'' W 009° 18' 27,1'']. Hier wartet ein Picknick-Platz auf uns, auf dem wir die Nacht verbringen werden. Auf diesem Ruheplatz im Ardnageeha Forest sind wir bereits in Connemara, einer Region, die im County Galway liegt, während Cong selbst noch zum County Mayo gehört.  

Es regnet und hat nur noch 10 °C. Was bleibt uns übrig, als abzuwarten und Kaffee zu trinken? Nach aller Erfahrung wird sich der Himmel bald wieder von seiner freundlicheren Seite zeigen. Und tatsächlich bekommen wir bald die Gelegenheit, die Mädels in den Zauberwald des Ardnageeha Forests zu entführen, mit seinen hüft-, manchmal gar brusthohen Farnen und Bäumen, von deren langen Flechtenbärten Regen tropft wie aus den Bärten tausender geclonter Gandalfs. Es wäre eine finsterwälder Wanderung, wenn nicht Lough Corrib mit seinem silbermatten Glänzen Licht in den Urwald zauberte. Mit seinen 200 km2 ist der See der größte in der Republik Irland und der zweitgrößte auf der Insel.

Den Mädels ist das alles einerlei, solange sie sich wälzen, wässern und verkrümeln können. Schließlich finden wir nach 45 Minuten und fast drei Kilometern den Ausgang aus dem Feenlabyrinth und unseren Franz wieder. War auch nicht so schwer: So verhuscht der Wald ist, so gepflegt sind die Wanderwege.  

Und der Regen zählt wieder sein Kleingeld auf dem Dach unseres Franz: con-ne-ma-ra-con-ne-ma-ra-plitscher-plätscher-plimm.  

Aber wir wollten ja unbedingt hierher, in die wasserreichste Ecke Irlands. Passt doch.  



Roundstone / Clifden
Sallins (Canine Country Club) / Robertstown