Der Bairische Blues fährt ins Blaue - und ist dann mal weg

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Burgos

Cartuja de Santa María de Miraflores in Burgos

Freitag, 8.4.2022 

Kaum haben wir den großen Regen drei Tage abgewettert und ihn nicht gesehen, ist er da, gerade als wir abreisen wollen. Es ist keine Sintflut, aber ein beständiger, milder und kräftiger Regen. Nachdem wir unsere Luxusduschen zum letzten Mal verlassen haben, kommen wir gleich noch einmal geduscht beim Franz an. Was soll's: Luxusdusche, Himmelsdusche...

Wir beschränken uns auf ein Müesli, machen den Franz fertig und verlassen einen der für uns liebenswertesten Campingplätze um 10 Uhr.  

Jetzt geht es wieder den ganzen Weg hinunter zum Stausee des Cavado und auf dessen anderen Seite wieder hoch in die Berge. Etwas verstörend ist dabei die Tatsache, dass die spanische Grenze per Luftlinie nur etwa zwölf Kilometer entfernt ist, aber diese Straßen will sicher niemand mit dem Wohnmobil fahren. Also steht ein längerer Umweg auf dem Programm. Doch selbst ein solcher Umweg hat es noch in sich, nämlich dann, wenn man sich einen weiteren Umweg ersparen möchte. Die Straße, der wir nun in die Höhe hinauf folgen, zieht sich zwar nur etwa drei Kilometer und erspart uns einen Umweg von etwa 20 Kilometern, aber der Chauffeur erinnert sich nur mit Bauchgrimmen an sie: eng, löchrig, verschlungen und steil, richtig steil, so steil, dass es der Franz kaum verschnauft. Es gibt Tage, da fragt man sich, warum man nicht zuhause im warmen Bett liegt und der Schweiß vom viel zu dicken Federbett herrührt. Doch auch diese Piste, wie alle anderen bisher, haken wir ab und klopfen uns gegenseitig auf die Schulterm: well done.  

Wir kurven weiter durch den Nationalpark, rauf und runter, manchmal sind wir nur mehr wenige Kilometer von unserem Ausgangspunkt entfernt. Bis auf tausend Meter klettern wir hoch, der Regen und die Wolken zaubern immer wieder gespenstische Szenerien herbei und es wird zunehmend wilder hier oben. Plötzlich tragen alle Bäume zentimeterdicke Pelzmäntel aus silbriggrünen Flechten und geben zu verstehen, dass wir uns in einer Tundra bewegen. Wild ist das Land, öde, abweisend und frostig schön.  

Um 11:50 Uhr passieren wir nach 85 Kilometern, anstatt der 12 Kilometern Luftlinie, die Grenze zu Spanien und stellen die Uhren wieder einmal auf die neue Zeit um: 12:50 Uhr MESZ.  

Die Natur macht keinen Unterschied zwischen menschlichen Zeitzonen und Landesgrenzen; die Welt der nordiberischen Tundra ändert sich deswegen auch in Spanien nicht.  

Um kurz nach 13 Uhr tanken wir den Franz in einem winzigen Flecken namens Cualedro wieder einmal voll: 73,5 l à 1,86.9 €.  

Und dann, genau um 15:14 Uhr, feiern wir ein kleines Jubiläum: In diesem Augenblick hat der Franz 70.000 km auf dem Buckel! Mal sehen, ob er auf dieser Reise auch noch die 80.000 stemmen muss.  

Wir haben endgültig beschlossen, keinen weiteren touristischen Stopp mehr einzulegen, weder Bilbao noch San Sebastian, noch sonst eine der attraktiven Absteigen. Wir wollen jetzt weiter, weil nach dreieinhalb Monaten auch die Beschränkung eine Bereicherung sein kann. Mehr geht für uns einfach nicht mehr in Europas äußerstem Südwesten.  

Über die A-52, A-66 und A-231 fahren wir zügig durch Kastilien und León nach Osten und sind völlig perplex, dass die Strecke durchschnittlich auf 800 Metern verläuft und uns in der Spitze bis auf 1.300 Metern führt. Es ist eine abwechslungs- und aussichtsreiche Berg- und Talfahrt auf bequemen Autobahnen, allerdings auch eine spritintensive. Was uns als deutsche Autofahrer jedoch fassungslos macht, sind die freien Straßen an einem Freitagnachmittag. Es ist hier nichts los, absolut nichts. Wir lassen den Franz dahinrollen, hängen uns gelegentlich in den Windschatten hinter einen LKW und lassen uns ziehen, Kilometer um Kilometer, ohne dass uns der Verkehr dabei stört. Zuhause würden wir in einem nervigen Stopp & Go das baldige Ende der Fahrt herbeisehnen. Hier genießen wir das behäbige Dahinschlendern.  

Um 17:50 Uhr erreichen wir nach 512 Kilometern Burgos und stellen den Franz auf dem Parkplatz der Cartuja de Santa María de Miraflores, einem Kartäuserkloster (Kartause) ab [N 42° 20° 16,9'' W 003° 39' 30,4'']. Auch hier stehen wir noch immer auf 915 m Höhe. 

Die Kartause geht auf die Mitte des 15. Jh. zurück, und in ihr befinden sich die Gräber von König Johann II. und seiner Gemahlin Isabella von Portugal. Besuchen können wir sie nicht, weil die Kartause gerade geschlossen ist. Die spätgotische Anlage steht mitten im Parque de Fuentes Blancas, einem sehr weitläufigen Park mit Kiefern- und Pinienbestand, Freizeit- und Sporteinrichtungen. Für uns ist das ein idealer Platz, um den Mädels nach 500 Kilometern Langeweile ein wenig Bewegung zu gönnen. Fast eine Stunde stapfen wir mit ihnen durch den Park und haben den Eindruck, dass sie nun doch sehr zufrieden mit uns sind.  

Auf dem Parkplatz des Klosters ist das Übernachten nicht verboten, und man steht dort tagsüber natürlich nicht allein, aber nachts, wenn die Parkbesucher weg sind, ist hier eine wahrhaft himmlische Ruhe, was man vom Campingplatz auf der anderen Seite des Parks nicht behaupten kann: Dort läuft die Straße vorbei.  

Wir schmurgeln uns zum Abschied von Spanien nochmal eine Paella und sind mit uns und der Welt im Reinen. Nur, dass es abends noch etwas regnet und auf 10 °C abkühlt, hätte nun auch nicht mehr sein müssen.  

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