Der Bairische Blues fährt ins Blaue - und ist dann mal weg

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Cobh

Cobh

Donnerstag, 12.5.2022 

Während wir unser Frühstück im Franz einnehmen, bekommen wir Besuch von der Uni-Security, die sich, wie hierzulande üblich, sehr freundlich nach unserem Befinden erkundigt und so nebenbei wissen möchte, welches unsere Absichten sind. Wir erzählen ihnen, dass wir gestern Gäste bei einer Abschlussprüfung waren und heute wieder weiterreisen würden. Daraufhin freuen sie sich, dass wir für eine Performance so weit angereist seien und wünschen uns noch eine gute Reise. Der Grund ihrer Nachfrage seien die Traveller, die heutzutage auch nicht mehr im Planwagen unterwegs sind, sondern im Wohnmobil, weswegen sie da immer ein Auge drauf haben.

Dann schauen Bärbel, Michi und Anna noch einmal vorbei, um sich zu verabschieden, vor allem aber, weil Anna unbedingt einen Blick in den Franz werfen will. Und dann trennen sich unsere Wege wieder; auf ein Wiedersehen in Rosenheim. Demnächst...  

Um 10:45 Uhr fahren wir los und verlassen mit Limerick eine Stadt, von der wir nichts gesehen haben, die uns aber sicher länger in Erinnerung bleiben wird als viele andere Städte. Es hat 13 °C, dazu Sonne, Wolken und Wind. Der Chauffeur ist angekratzt und verschnupft.  

Die Fahrt in den Süden ist angenehm und ohne große Momente. Gelegentlich setzt sich die Sonne durch, aber meist übernimmt der Regen schnell wieder das Kommando. Es geht sehr stramm nach Süden, und um 12:50 Uhr kommen wir in Cobh an, wo wir uns auf den Five Foot Way Car Park, einem Stellplatz direkt an der Hafeneinfahrt [N 51° 50' 48,9' W 008° 18' 29,1''] stellen. Der Stellplatz hat eine komplette Ver- und Entsorgung, auch eine kleine Klokabine und kostet für 24 Stunden 10 €.  

Cobh liegt am Südende eines der größten Naturhäfen der Welt, dem Cork Harbour. Hier legen die großen Fähren an und die Kreuzfahrtschiffe, wenn denn wieder einmal kreuzgefahren wird. Nach Covid liegt die Branche noch immer am Boden. Weil jedoch Cobh von den massiven Industrieansiedlungen in der Region ab den 90er Jahren weitgehend verschont blieb, hat sie sich ihren authentischen irischen Charakter zu einem großen Teil bewahren können und ist deshalb nicht nur für Touristen interessant, sondern auch ein beliebtes Ausflugziel der Einwohner Corks.  

Erstmals erwähnt wird die Stadt 1750 unter dem Namen Cove (The Cove of Cork). Anlässlich des Besuchs von Queen Victoria 1849, musste sie ihren Namen in Queenstown ändern. 1922 wurde ihr Name dann wieder nach Cove geändert, jetzt allerdings in der irischen Diktion Cobh. Die Stadt war immer ein Tor zur Welt, auch weil zwischen 1848 und 1950 über 2,5 Millionen Iren über Cobh in alle Welt, vor allem aber nach Amerika emigrierten.  

Allezeit verbunden bleiben wird Cobh, jedoch noch unter dem Namen Queenstown, mit zwei der schlimmsten Schiffskatastrophen der Geschichte. Am 11. April 1912 lag die Titanic vor Queenstown auf Reede, weil sie für einen Anleger im Hafen zu groß war. Es sollte ihr letzter Hafen sein, bevor sie drei Tage später vor Neufundland sank.  

Am 7. Mai 1915 wurde die RMS Lusitania, ein Passagierdampfer der Cunard Line auf der Nordatlantikroute, 40 km vor Queenstown von dem deutschen U-Boot U 20 torpediert und versenkt. Fast 1200 Passagiere starben, darunter 128 Amerikaner. Die deutsche Admiralität sah sich im Recht, weil die Lusitania außer Passagiere auch Waffen an Bord hatte. Die Diskussion flammte vor allem in USA hoch, weil es die eine Seite als Verbrechen betrachtete, Passagiere als Schutzschilde für Waffentransporte zu benutzen, während die andere Seite darauf bestand, dass jeder Amerikaner das Recht habe, zu reisen wann und wohin immer er wolle. Die Forderung, sofort in den Krieg einzutreten, wenn ein amerikanischer Bürger zu Tode kommen sollte, zog sich unter diesen Umständen fast zwei Jahre hin, bis die USA am 6. April 1917 in den Krieg eintraten. Allerdings half bei dieser Entscheidung die zu jener Zeit notleidende amerikanische Rüstungsindustrie nach, die sich durch den Kriegseintritt ihre Genesung erhoffte.  

Am frühen Nachmittag sitzen wir bei Kaffee und Kuchen zusammen und blicken aufs Wasser, als ob wir ein U-Boot oder einen Kreuzfahrer zu erwarten hätten. Dort draußen geschieht aber nicht viel, außer dem kleinen Schiffsverkehr, der in einem Hafen mit vorgelagerten Inseln zu erwarten ist. Der Chronist beschließt deswegen, sich besser schlafen zu legen und seine Erkältung abzuarbeiten. Es hat 14 °C, immer wieder regnet es, dabei wird es immer windiger, so windig, dass der Franz schaukelt wie ein Kinderwagen.  

Heike macht sich um 16 Uhr auf den Weg in die Stadt, um einen Handy-Shop zu suchen, weil wir dringend eine neue Netzwerkkarte brauchen. Sie kommt mit einer Karte von Lycamobile zurück, die 30 Tage gelten soll und 10 € kostet, doch weder im Geschäft noch in der Post, wo man den dazugehörigen Voucher kaufen muss, ist man sich sicher, dass und wie das klappt... Irre, dieses Irland! Beim Versuch, die Karte zum Laufen zu bringen, funktioniert nichts und unser Datenvolumen ist schneller weg als die Karte installiert. Offenbar handelt es sich um eine reine Telefon- aber keine Datenkarte. Heike versucht, im Internet, eine unlimitierte Karte zu aktivieren, was prompt gelingt. Wie es aber weitergeht, sollten wir abwarten, in dieser Sache ist das letzte Wort vermutlich noch nicht gesprochen.  

Da der Stellplatz direkt am Kai mit einer schmalen Promenade liegt und hinter uns die Bahnlinie nach Cork vorbeiführt, kann von Hundeauslauf kaum die Rede sein. Die Dogwalkerin macht deshalb nur einen kurzen Spaziergang, weil sie unsere Damen kennt. Fianna lässt sich zu ihren Geschäften ja noch überreden, aber Hedda verweigert ihren Poo standhaft.  

Wir machen uns abends Lammsteaks mit Kartöffelchen und beschäftigen uns anschließend mit dieser Doku und der neuen Internetkarte, der wir nicht über den Weg trauen. Hedda verweigert auch nachts den Poo, zeigt sich sogar einigermaßen empört, unter diesen Umständen überhaupt nochmal aus dem Haus zu müssen. Sie wird es schon noch einsehen, morgen...  

Um 22:30 Uhr ist der Wind urplötzlich weg, es ist wolkig bei 11 °C. Den ganzen Tag laufen hier die Leute mit dicken Anoraks und Kapuzen herum, selbst die nicht gerade zimperlichen Iren – und so was soll also ein Frühling sein? Von zuhause melden sie uns fast 30 °C!  

Als bedeutender Hafen gab (und gibt) es in Cobh alles, was sich Seeleute an Land ersehnen, selbstverständlich auch die einschlägigen horizontalen Angebote. Unter Kennern wurde Cobhs Amüsierviertel als "Ireland's most famous red-light district" geführt und von den Dubliners in ihrem Song "The Holy Ground" mit der durchaus angebrachten Ironie der Welt nahegebracht. Here we go...



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Limerick