Der Bairische Blues fährt ins Blaue - und ist dann mal weg

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Cobh

Cobh

Freitag, 13.5.2022

Hedda hat es sich heue Morgen doch überlegt und ihre Darmperistaltik wieder in Bewegung gebracht; anscheinend war der Muskeltonus ihrer Pobacken dem Innendruck nicht mehr gewachsen. Damit wäre das jedenfalls geregelt.  

Ebenfalls geregelt ist unser Wohlergehen, jedenfalls bezüglich des Wetters und der Temperaturen: kaum Wolken, viel Himmel und nachmittags sogar 20 °C.  

Das Wohlergehen des Chronisten ist damit jedoch längst nicht gesichert, denn er leidet an seinem Limerick-Cough, was sich nicht schön anhört, aber eine gewisse lautmalerische Brücke zu Cobh herstellt. Doch es ist nicht nur der Hals, der ihn quält, er ist schlicht angeschlagen, auch wenn das für manche heimische Verfolgerinnen nichts als ein gewöhnlicher Männerschnupfen ist. Ein Segen, dass die Natur oder der Große Geist diese herzlosen Geschöpfe davon abgehalten hat, Krankenschwester zu werden.  

Trotz seiner Unpässlichkeit begleitet er die Reiseleiterin um 11 Uhr auf einen Bummel durch Cobh. Das Titanic-Museum verkneifen wir uns; dazu ist bereits alles gesagt und gezeigt worden. Ausgesprochen charmant finden wir allerdings die bunten „Treppenhäuser" in den steilen Straßen der Stadt. Jedes einen Meter höher als das darunterliegende angesetzt, klettern sie in allen Farben wie Puppenhäuser die Gassen hoch. Ob das Leben in diesen Puppenstuben so charmant ist, wie wir es von außen empfinden? Aber es stimmt: Cobh hat viel Ursprüngliches herübergerettet und sich offenbar größtenteils der Bau- und Modernisierungswut erwehren können.  

Einen Blick werfen wir noch in die neugotische St.-Colman-Kathedrale, die, wie so viele ihrer Kolleginnen, hoch über der Stadt thront. Sie gehört zu den aufwendigsten und teuersten Kathedralen, die im 19. Jh. errichtet wurden und die alten anglikanischen Kirchen ersetzen sollten. Aber sie hat ein Alleinstellungsmerkmal, das sie über alle anderen Kirchen Irlands hebt: Sie hat mit 49 Glocken eines der mächtigsten Kirchengeläute Irlands und als einzige ein Glockenspiel.  

In Cobh leben zwar knapp 13.000 Menschen, aber zumindest die Altstadt ist so überschaubar, dass man schnell alles gesehen hat und ebenso schnell wieder gehen kann. Das tun wir, trinken zuhause einen Kaffee, arbeiten wieder einmal an der Doku oder verbummeln den Nachmittag.  

Nur wenige Meter den Kai entlang in Richtung Innenstadt wurde uns Quays Bar & Restaurant empfohlen, das direkt bei den großen Anlegern residiert. Dort wollen wir uns heute Abend verwöhnen lassen. Der Seafood Chowder ist viel zu groß für eine Vorspeise, weswegen die Begleiterin es dabei belässt und die Fischsuppe zum Hauptgang umfunktioniert. Winzig, dafür sauteuer sind dagegen die Gambas Pil-Pil, denen wir auf den Zahn fühlen wollen; immerhin gibt es einen für jede Backentasche. Die Hähnchenbrust mit Kartoffelbrei und frittiertem Gemüse, die dem Chronisten sehr mundet, hätte aber auch ohne geknofelte Garnelen vorneweg reüssiert. Mit Cider und Bier zahlen wir 60 €. Wir haben keinen Grund, mit Quays unzufrieden zu sein, aber auf den kulinarischen Merkzettel schafft man es auch nicht.  

Wir ziehen noch ein wenig weiter, um einen Blick in die Kneipenszene Cobhs zu werfen; damit sieht es allerdings (jedenfalls heute) ziemlich bescheiden aus. Zwar stehen überall Leute vor den Türen und trinken, aber drinnen scheint nicht viel los zu sein.  

Aus einem Eingang klingt es dann doch nach Gitarre heraus, also gehen wir hinein. Heute liefern die Fernseher keinen Fußball, sondern Golf, und im Nebenraum müht sich ein Spätfünfziger mit seinem Instrument herum. Er versucht sich gar nicht erst an traditionell irischem Liedgut, sondern malträtiert lieber internationale Pop- und Rock-Klassiker. Mal wollen ein paar Groupies am Tisch vor ihm auch ihren Auftritt haben und geben dem Song mit ihrem Karaoke-Gekreische den Rest. Zwischendurch gesellt sich noch ein zweiter Gitarrist dazu, der auch nicht spielen und singen kann. Als sich der Hauptakteur auch noch an „Waterloo-Sunset" von den Kinks wagt und dort, wo es in die Höhe geht und wehtut, einfach eine Gesangslücke einbaut, hat der Chronist genug, zumal die zwei Guinness für heute auch reichen. Dennoch ist dieser Kneipenbesuch keine Enttäuschung, denn wir haben mehrere Erkenntnisse gewonnen. Erstens: Nicht jeder Ire ist von Geburt Musiker und kann auch noch singen. Zweitens gibt es auch in Irland Menschen, die trotzdem von ihrem Können überzeugt sind und sich in die Öffentlichkeit wagen. Drittens ist es ein Segen, dass irischen Kneipen rundum mit Fernsehern bestückt sind. Und viertens: Mit Guinness lässt sich alles unbeschwert schlucken.  

Und wenn man es genau nimmt, hätte der Chronist gar nicht hier sein dürfen, sondern ins Bett gehört. Das holt er jetzt schleunigst nach.  

Timoleague Abbey / Baltimore
Cobh