Der Bairische Blues fährt ins Blaue - und ist dann mal weg

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Timoleague Abbey / Baltimore

Baltimore

Samstag, 14.5.2022

Morgens um 9 Uhr ist es noch immer wolkenlos und windstill bei 12 °C. Der Hundespaziergang fällt auch heute sparsam aus, weil über Nacht keine neuen Möglichkeiten hinzugekommen sind.  

Wir entscheiden uns, heute kein aufwendiges Frühstück zu machen, sondern irgendwann auf der Strecke eine Pause einzulegen. Also ver- und entsorgen wir den Franz und fahren um 10 Uhr los.  

Wir halten uns in Richtung Südwest und machen um 11:10 Uhr Halt an der Ruine der Timoleague Abbey, etwa 15 km südlich von Bandon, an einer Meeresbucht nahe Courtmacsherry.  

Im 6. Jh. hatte der Hl. Mologa (Timoleague = Tigh Molaige (irisch) = Das Haus des Mologa) an dieser Stelle eine mönchische Siedlung gegründet. Er ist vor allem in Erinnerung geblieben, weil er die Honigbienen und die Bienenhaltung nach Irland gebracht haben soll. 1240 gründeten dann die Franziskaner auf dieser Siedlung ein Kloster. Während der Reformation wurden die Mönche vertrieben, kehrten aber 1604 wieder zurück. Ruhe fanden sie jedoch in der Folgezeit nicht mehr, sodass sie das Kloster 1629 endgültig aufgaben.  

Die Ruine ist auf jeden Fall einen kurzen Besuch wert, vor allem auch wegen des interessanten Friedhofs. Dass die Menschen früher deutlich kleiner waren als wir heutzutage, belegen die sehr niederen Torbögen, die unsereins nur gebückt durchkriechen kann, von durchschreiten kann jedenfalls nicht die Rede sein. Obwohl: Der Chronist gibt zu bedenken, dass diese Türen eventuell für die Bienen gedacht waren und die ganze Anlage nie ein Kloster, sondern vielleicht ein riesiger Bienenstock war. Die Reiseleiterin bezweifelt die Theorie.  

Egal: Um 11:45 Uhr sind wir wieder beim Franz und holen unser Frühstück nach, das jetzt zum Brunch wird; Bienenhonig gibt es dazu übrigens auch.  

Um 13:30 Uhr setzen wir unsere Reise in Richtung Südwesten fort. Die Fahrt ist meist sehr angenehm, die Sonne lacht vom fast wolkenlosen Himmel, wenn da nur nicht die Bauern unterwegs wären: Heute scheint Mäh- und Scheißetag zu sein. Wenn es eng wird und die Kerls mit ihren Schlachtschiffen mit schlingernden Güllefässern oder Grasladungen daherkommen, wird es dann doch gelegentlich psychologisch. Letztlich verhalten sich die irischen Bauern genauso selbstherrlich wie die Bauern zuhause, und auch sie kennen ihre Fuhrwerke und sind letztlich berechenbarer als andere Gelegenheitskapitäne der Landstraße.  

Um 14:45 Uhr ankern wir am Hafen von Baltimore am Straßenrand [N 51° 29' 07,3'' W 009° 22' 17,1'']. Noch immer ist es wolkenlos bei 16 °C.  

Nach einer kleinen Zwischenpause geht die Dogwalkerin mit ihren Lieblingen los, um die Gegend zu erkunden und lässt den matschigen und leblosen Chauffeur zurück, damit er sich in der Horizontalen für das Abendmahl fitschlafen kann. Nichts lieber als das, zumal die Umgebung keine großartigen Versprechungen macht. Doch da irrt sich der malade Chronist! Denn mit der Hilfe ihrer elektronischen Pfadfinder findet die Dogwalkerin immer einen Weg, sofern es einen solchen überhaupt gibt. Heute führen sie sie nach nur wenigen Biegungen durch die Hafenlandschaft in eine herrliche Badebucht, in der sich die Vierläufigen mit Vergnügen die Glieder ausschütteln können und dies auch ausgiebig tun.

Anschließend besuchen sie noch die bekannteste Sehenswürdigkeit Baltimores, die unübersehbar auf einem Hügel über der Stadt thront: der Baltimore Beacon. Ab 1789, als die Engländer die irische Rebellion niedergeschlagen hatten und nun unzweifelhaft das Sagen über die Grüne Insel hatten, begannen sie, überall entlang der Küste Irlands Leuchtfeuer aufzustellen, um die Schifffahrt sicherer zu machen. Eines davon war der Beacon, der 15 Meter hoch und an der Basis fünf Meter im Durchmesser in den Himmel ragt. Der Beacon kommt allerdings ohne Feuer aus; er stellt allein wegen seiner konischen Form, die ihn eher wie eine Granate denn wie ein Leuchtturm aussehen lässt, und dem weißen Anstrich eine unübersehbare Landmarke dar. Zusammen mit dem Leuchtturm auf dem gegenüber liegenden Sherkin Island markiert er die Einfahrt in den Hafen Baltimores. Unter den Einheimischen hat der Beacon schon früh den Spitznamen Lot's Frau bekommen, weil er wie jene, nach der Bestrafung durch Gott, wie eine Salzsäule im Land steht. 

Ausgeruht und hungrig begleitet der Chronist seine Dame abends dann zu Rolf's Country House & Restaurant den Berg hinauf. Wie man ahnt, stecken deutsche Inhaber hinter dem Restaurant. Der Vater der heutigen Besitzerin gründete vor Jahren das Lokal und gab ihm seinen Namen. Die Familie stammt aus dem Schwarzwald, wo man bekanntlich etwas von Essen versteht. Wir bekommen frisch aus dem Wasser geholte Austern und eine sautierte Entenleber, beides schmeckt, wie es klingt: überragend. Als Hauptgang beschäftigen wir uns mit Lamm und Wild, beides auf den Punkt gebracht und eine Todsünde wert. Eine Flasche Pinot Noir liefert den passenden Rahmen. Und dafür, zusammen mit einem umgänglichen und sehr angenehmen Service, darf man auch mal 120 € liegenlassen. Für Liebhaber gepflegter Esskultur ist Rolf's Restaurant ein Muss.  

Wir schlendern den Berg von der deutschen Anhöhe wieder in die Niederungen der Pubs und Restos hinunter und landen schließlich im Lookout, einem Pub, das nicht nur innen voll ist, sondern auch viel Volks auf seiner Terrasse beherbergt. Wenn es geht, suchen wir uns immer einen Platz an der Theke, weil hier das Kneipenleben pulsiert und man alles Wesentlich hautnah mitbekommt. Heute sind es neben den zwei Guinness, die man auch abseits der Bar genießen könnte, dreierlei Erkenntnisse.  

Erstens begeistert uns auch im Lookout das Personal, mit welcher Ruhe und Professionalität es die Kundschaft bedient, eine Kundschaft, die zum größeren Teil schon reichlich beschickert, aber trotzdem gut zu haben ist. Trotzdem: das beeindruckt.  

Zweitens: Der Chef des Ladens trägt ein graues Pferdeschwänzchen am Hinterkopf, von dem die Begleiterin meint, dass so ein Zöpfchen auch dem Chronisten gut zu Kopfe stehen würde, zumindest könnte es einen Versuch wert sein, wenn schon kein Friseur nirgendwo seine Dienste anbietet. Sein Einwand, dass die Haarstruktur des Lookouters nicht mit seiner vergleichbar wäre, beendet die haarige Angelegenheit fürs erste; das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.  

Und drittens lernen wir ein neues Guinness kennen, das Baby-Guinness, so beliebt bei den Damen entlang der Theke und auch outdoors, dass es tablettweise und im Minutentakt serviert wird. Wir fragen nach und bekommen ein Probe-Baby serviert: ein Schnapsgläschen fast gefüllt mit Kaluah-Kaffeelikör, den Guinness-Schaum obenauf simulieren einige Tropfen Baileys. Der Reiseleiterin mundet die süße Sünde wie all den anderen Vertreterinnen ihres Geschlechts rundum, die das Zeug saufen, als gäbe es kein Morgen. Der Chronist hält lieber dem ausgewachsenen Guinness die Treue und denkt an seinen Kopf oder, wie der Brite zu sagen pflegt: Mind your head!  

Um 22 Uhr sind wir wieder bei den Mädels und der Himmel lacht noch immer auf uns herab. Der Chronist ist auch fast nicht mehr krank, nur noch ein klein bisschen…  



Mizen Head
Cobh