Der Bairische Blues fährt ins Blaue - und ist dann mal weg

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Ring of Kerry / Kenmare

Ring of Kerry

 Donnerstag, 19.5.2022

Der Ring of Kerry ist eine der Sehnsuchtsstrecken aller Irlandbesucher.  

Die Straße führt knapp 180 Kilometer entlang der Küste der Iveragh-Halbinsel, die zur Grafschaft Kerry gehört. Sie bietet das, was sich der Irlandtourist, von Bildern und Filmen getriggert, unter Irland vorstellt: bizarre Klippen, wilde und romantische Strände, saftige Hügel, einsame Häuser und malerische Ruinen. Dazu gehören aber auch oft sehr enge Straßen, so eng, dass Reisebusse nur im Einbahnverkehr gegen den Uhrzeigersinn fahren dürfen, um Begegnungen zu vermeiden. Reiseführer empfehlen deshalb gerne, gegen die Busrichtung zu fahren, weil die andere Straßenseite von den Bussen nicht so kaputtgefahren wurde wie die Busspur. Wir entschließen uns dennoch, mit den Bussen gegen den Uhrzeiger zu fahren, weil wir gerade diese Begegnungen vermeiden wollen und uns nach Monaten auf schlechten Straßen damit längst nicht mehr aus der Ruhe bringen lassen.  

Um 11:15 Uhr fahren wir bei wolkigen 13 °C los. Weit nach Osten holen wir von Lauragh aus. Um 12 Uhr tanken wir den Franz in Kilgarvan mit 55 l für 1,95,9 € voll. Dann schwingen wir nördlich von Killarney nach Westen auf die Halbinsel ein.  

Die Fahrt über die Nordseite der Halbinsel ist reizvoll und beeindruckend, kann aber aus unserer Sicht mit den Eindrücke des Rings of Beara nicht mithalten. Es ist nicht die Sensationsmüdigkeit, die uns in ihren Fängen hat, sondern die Wiederholung bereits Gesehenen, oftmals noch nicht einmal dies.  

Um 14 Uhr machen wir in Cahersiveen Halt, einem Ort im Nordwesten der Halbinsel, dort wo sich die Ringstraße südwärts wendet. Mit gut 1000 Einwohnern ist er einer der größeren auf der Halbinsel und ist hauptsächlich wegen seiner Kirche bekannt, die als einzige einem Laien gewidmet ist: Daniel O'Connell. O'Connell war einer der herausragenden Politiker Irlands in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Noch heute nennt man ihn den Liberator, weil er sich für die Gleichberechtigung der katholischen Kirche Irlands mit der anglikanischen und für die Aufhebung der Union mit Großbritannien stark machte. Er wurde 1775 in Cahersiveen geboren, so ist es kein Wunder, dass man eine Kirche nach ihm benannte, wurde ihm doch sogar in Dublin die O'Connell-Statue gestiftet und eine wichtige Straße nach ihm benannt.  

Aber noch einen anderen hält man hier in Ehren: Hugh O'Flaherty, der 1963 in Cahersiveen starb. O'Flaherty war katholischer Priester und Diplomat im Vatikan. Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im besetzten Italien versteckte er gemeinsam mit Helfern ungefähr 6500 Juden und aus der Kriegsgefangenschaft geflüchtete Soldaten der Alliierten in Klöstern, kirchlichen Gebäuden und in Privathäusern. Sein gefährlichster Gegner war Obersturmbannführer Herbert Kappler, Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Rom. Der ließ nichts unversucht, O'Flaherty zu greifen und zur Strecke zu bringen. Trickreich gelang es O'Flaherty immer wieder, seinem Jäger zu entkommen. Nach der Befreiung Roms wurde Kapeller gefangengenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt. O'Flaherty besuchte ihn jeden Monat im Gefängnis. 1959 konvertierte Kappler zum Katholizismus und wurde von O'Flaherty getauft. Wenn das mal kein Filmstoff ist! Tatsächlich wurde O'Flahertys Geschichte 1983 unter dem Titel „Im Wendekreis des Kreuzes" mit Gregory Peck in der Hauptrolle verfilmt.  

Außer dieser Kirche und dem Denkmal für O'Flaherty gibt die Stadt allerdings nichts her, weshalb wir nach einer guten halben Stunde weiterfahren.  

Nun geht es in den Süden des Rings und weiter nach Osten zu unserem Ausgangspunkt zurück. Für diesen touristischen Hotspot ist heute relativ wenig los, deshalb ist es auch nicht von Bedeutung, wie eng die Straßen sind. An manchen Stellen wird es ein wenig eng, aber seinem schlechten Ruf wird der Ring zu keiner Zeit gerecht. Nur die Aussichtspunkte sind oft etwas sehr knapp bemessen, sodass man sehen muss, ob und wie man unterkommt. Bei solchen Gelegenheiten fragen wir uns dann wieder einmal, wie die Konvoi-Fahrer damit umgehen: Die ersten drei Womos stellen sich drauf und die anderen fahren weiter oder blockieren die Straße?  

Insgesamt sind wir vom Ring of Kerry eher ein wenig enttäuscht, der Ring of Beara hat uns deutlich mehr beeindruckt. Er ist ausgesetzter, der Blick wird häufiger von unerwarteten Glanzlichtern überrascht, die Natur wirkte auf uns wilder und es geht mehr rauf und runter und hin und her. Der Ring of Kerry scheint uns ein wenig zu touristisch domestiziert und konfektioniert oder wie es eine Engländerin ausdrückte: manicured.  

Allerdings haben wir den Stich in den äußersten Westen der Halbinsel nach Portmagee ausgelassen, weil dort für Wohnmobile die Welt mitunter richtig eng wird. Aber wenn der Ruf dieser Halbinsel nur an ein paar Kilometern des äußersten Zipfels festgemacht wird, bleibt der Rest, zumindest für uns, eher mittelmäßig. Es wär interessant zu erfahren, wie unser Eindruck gewesen wäre, wenn wir Kerry vor Beara gefahren hätten.  

Um 16:35 Uhr stellen wir den Franz in Kenmare an der Hafenstraße (Pier Road) ab [N 51° 52' 24,8'' W 009° 35' 17,5'']. Es ist bewölkt und windig bei 14 °C. Früher soll es hier verboten gewesen sein zu übernachten, doch heute gibt es keine Verbotsschilder mehr. Also bleiben wir diese Nacht hier. Der Platz ist ideal: In den Ort sind es nur knappe 15 min zu Fuß und auch für die Mädels stehen rundum weite Grünflächen und Parks zur Verfügung. So viel Natur und Freilauf hatten sie lange nicht.  

Um 18:30 Uhr, nachdem sich die Mädels im Grünen umsehen durften, gehen wir ohne sie in die Stadt und entscheiden uns für ein Diner in der Horseshoe Bar. Inzwischen ist es bei uns schon fast guter Brauch geworden, als Vorspeise einen Seafood Chowder zu wählen, allerdings einen für uns beide. Chowder ist ein Sammelbegriff für sämige, dickflüssige Suppen. Der Name geht auf den französischen Begriff chaudière zurück, einem dreifüßigen Topf, der direkt über dem Feuer stand. In einen Seafood Chowder gehört erwartungsgemäß Fisch, Muscheln und anderes, was im Meer beheimatet ist. Dazu kommen Kartoffeln, Gemüse, Speck und Sahne. Der Phantasie sind tatsächlich keine Grenzen gesetzt. Wir haben nun schon einige dieser Köstlichkeiten getestet und alle, obwohl sie sehr unterschiedlich zubereitet waren, genossen; einer so gut wie der andere.  

Nach der gemeinsamen Vorspeise bestellen wir Spareribs, an denen wir nicht vorbeikommen, obwohl wir nicht die großen Verehrer von diesen Rippenstücken sind. Aber diese hier sollen sechs Stunden sanft befeuert worden sein: Das ist ein Versprechen – und es wurde eingelöst! So einen Rippenschmelz kann man sich nicht vorstellen, wenn man ihn nicht zwischen den Zähnen hatte, eine echte Sensation. Und mit solchen Superlativen halten wir uns eher zurück.  

Zum Schluss bestellen wir noch einen Eton Mess für uns beide. Unter Eton Mess versteht man ein Dessert aus Früchten, meist Erdbeeren, zerbröselten Baisers und Sahne. Manchmal wird auch noch Likör oder Schokoladensoße dazugegeben.  

Dieses Dessert macht gerade Schlagzeilen in England, weil der Starkoch Jamie Oliver die Nachspeise zum Politikum machte. Seiner Meinung nach seien die Briten zu dick (was wir bestätigen können), aber die Regierung habe eine angekündigte Kennzeichnungspflicht zur Bekämpfung des Übergewichts bis auf weiteres verschoben. Oliver forderte Boris Johnson auf, diesen Fehler umgehend rückgängig zu machen. Andernfalls forderte er die Bevölkerung auf, mit der deftigen Nachspeise vor die Downing Street zu ziehen und die Regierung zum Handeln zu bewegen, denn schließlich sei diese Kalorienbombe eine Erfindung der Upper Class, dann solle sie sich auch um die Beseitigung der Folgen bemühen.  

Wir bemühen uns um die Beseitigung der Folgen des Eton Mess und der anderen Kalorienbomben, wenn wir nach über sechs Monaten zuhause wieder auf die Waage gestiegen sind und wissen, was sie angerichtet haben. Mit zwei Bier bezahlen wir heute 70 € und sind sehr zufrieden mit dieser „Eaton Mass" in der Horseshoe Bar.  

Ein paar Häuser weiter sehen wir, dass es in The Coachmans Live-Musik gibt, also nichts wie rein. Und das ist nun etwas ganz anderes als in The Kytelers in Kilkenny. Auf einer kleinen Bühne sitzen zwei Frauen, ein Kännchen Tee zu Füßen, ein kleines Sammelbecherchen daneben und spielen irische Tunes, die eine auf der Fiddle, die andere auf der Timber-Flute oder der Concertina. Das ist nichts zum Mitsingen und -klatschen, das ist zum Zuhören. Und die wenigen Leute im Pub hören zu, plaudern mit den Musikerinnen oder fragen sie aus; eine sehr entspannte und ruhige Abendunterhaltung mit wippenden Fußspitzen. Wir süffeln zwei Guinness dazu und gehen um 21:30 Uhr nach Hause, als die beiden ihre Instrumente einpacken, nicht ohne noch einen kleinen Obolus ins Becherchen geworfen zu haben. 

Kenmare ist eine schnuckelige Stadt, nichts Besonderes, aber ein schon ein bisschen anheimelnd. Seit langem trifft man hier auch wieder nahezu alle bekannten Nationalitäten, Franzosen, Holländer, Polen, Italiener und natürlich viele Deutsche, vorwiegend jüngere. Hier am Start- und Endpunkt des Rings of Kerry ist das allerdings keine große Überraschung.

Gegen 22 Uhr sind wir zurück und schlafen mit einem wohligen Gefühl ein, obwohl uns der Ring nicht die großen Glücksmomente bescherte. So what…  



Killarney Nationalpark
Ring of Beara / Lauragh