Der Bairische Blues fährt ins Blaue - und ist dann mal weg

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Killarney Nationalpark

Killarney Nationalpark

Freitag, 20.5.2022

Die Nacht ist schwer, weil der Chronist heftig unter seinem Husten leidet und seine Begleiterin mitleiden lässt. Zuhause zieht man bei solchen Hustenanfällen in ein anderes Stockwerk um, aber so etwas haben wir hier nicht, nicht einmal einen Alkoven. Wir schlafen schlecht. Heftiger Dauerregen trägt nicht zur Beruhigung bei.  

Um 9:30 Uhr wagt die Sonne schon wieder einen Blick durch die Wolken hindurch, aber 13 °C machen noch keinen Sommer, noch nicht einmal einen irischen.  

Die Dogwalkerin hat gestern ein großes Schild gesehen, auf dem der Reenagross Woodland Park dargestellt und beschrieben ist. Der Park liegt nur wenige Meter entfernt, und deshalb führt sie die Mädels heute Morgen dorthin. Über drei Klometer Wege sind dort ausgewiesen, Wasser, Bäume und Wiesen, alles, was so ein Hund eben liebt und braucht. Hier finden sie heute Morgen den oft vermissten Auslauf und genießen ihn mit jeder Faser, man weiß ja schließlich nie, wann man die nächste Gelegenheit für so viel Bewegungsluxus bekommt.

Anschließend schlendern wir ohne Mädels in die Stadt, um heute aushäusig zu frühstücken. Wir entscheiden uns für ein Frühstück bei Poff's, einem kleinen Café gleich im Zentrum. Zwei Full Irish Breakfasts kommen auf den Tisch, mit allem, was die britische Frühstücksküche vorschreibt (außer Kippers), dazu zwei Pötte Tee, aber die Qualität des Frühstücks von Tintagel erreicht man bei Poff's nicht. Es ist alles ein wenig fad oder fett oder beides.  

Danach ziehen wir ein paar Häuser weiter ins Herz der Stadt, dorthin wo der Horseshoe und der Coachman residieren. Die Reiseleiterin erbarmt sich ihres chronischen Chauffeurs und besorgt in einer Apotheke Hustensaft, Lutschbonbons und Aspirin. Für das eigene Wohlbefinden kauft sie Ohrstöpsel; soll der Alte doch röchelnd sein Leben aushauchen: Nichts gehört, hat nicht gestört.  

In Quill's Woollen Market, im Zentrum Kenmares, einem der bekanntesten Woll- und Tweedgeschäfte Irlands, sehen wir uns um. Die Chicago Tribune konstatierte einmal: „Quill's Woollen Market ist to wool what Disneyland ist to amusement parks". Wer mit der Absicht, etwas erstehen zu wo(o)llen, zu Quills geht, kommt auch mit einer Tasche wieder heraus. Wer nicht kaufen will, wahrscheinlich auch. Heute ist der Chronist der Bescherte, weil er an einem old-fashioned Großvaterhemd mit Weste einfach nicht vorbeikommt. Nur die karierte irische Schiebermütze verkneift er sich, weil die im Mangfalltal vermutlich so deplatziert ist wie der Geissenpeter-Hut im County Kerry.  

Auf dem Rückweg bleiben wir noch in einem winzigen, kruschteligen und bumsvollen Musikgeschäft hängen und nehmen irisches Notenmaterial mit. Gut, dass es hier keine Uilleann Pipes gibt, wahrscheinlich hätte der Chronist sich so ein monsterteures Monsterinstrument gekauft, obwohl er weiß, dass seine Lebenszeit im Leben nicht reichen wird, es zu beherrschen.  

Um 12:15 Uhr sind wir bei Sonne, Wolken und Regen wieder zurück und verlassen Kenmare um 12:25 Uhr. Gleich darauf halten wir bei LIDL und füllen unsere Vorräte. Um 13:00 Uhr geht es weiter.  

Wir rollen nun durch den Killarney Nationalpark nach Norden, schneiden praktisch jenen Bogen in der Mitte durch, den wir gestern nach Osten geschlagen haben, um dann auf den Ring of Kerry zu schwingen. O, my goddess, was für ein Land! Und was für eine Naturgewalt!  

Immer wieder finden wir eine Bucht, in die wir den Franz steuern können, um auszusteigen und auf die alten Tage doch noch in die Versuchung zu geraten, an einen willentlichen Schöpfungsakt zu glauben. Zweifler an der Darwin'schen Evolutionstheorie führen gerne das Facettenauge der Fliegen ins Feld, weil sie daran zweifeln, dass ein solches Auge über einen langen Selektionsprozess entstehen konnte. Es könne nur, so argumentieren sie, auf einem Plan und einer Erkenntnis beruhen. Wir zweifeln heute an der zufälligen Schaffung einer solchen Landschaft. Der Blick von Ladies' View hinunter auf den Upper Lake und den Owengarriff River beschert uns einen Blick in ein ir(d)isches Paradies.  

So müssen es auch die Ladies empfunden haben, nach denen dieser Aussichtspunkt benannt ist. 1861 besuchte Queen Victoria Irland und machte mit ihrer Entourage einen Ausflug hierher. Die Damen in Victorias Begleitung waren von der Aussicht so angetan, dass der Ort seither als Ladies' View bezeichnet wird. Wir können die Damen nur zu gut verstehen.  

Aber nicht nur diese ausgewählten Stellen machen uns fassungslos. Zu den schon angesprochenen forty shades of green kommen noch mindestens twenty shades of brown und heavenly shades of pink and red. Wir geraten ein wenig aus der Fassung angesichts dieser Schöpfung. Selbst hautenge, in den Fels geschlagene Tunnels schaffen es nicht mehr, Unbehagen in uns auszulösen. Im Gegenteil: Sie locken uns wie Himmelstore, durch die wir geschmeidig und voller Erwartung schlüpfen. Das Auge kommt nicht mehr zur Ruhe, die Seele kommt nicht mehr zur Ruhe, und gerade deswegen gleiten wir wie im Flug über diesen Highway to Paradise. Die wenigen Kilometer auf der N 71 durch den Killarney Nationalpark lassen den Ring of Kerry wie kalten Neskaffee schmecken.  

Um 14:15 Uhr fahren wir am Stadtrand von Killarneys auf den Flesk Camping Park [N 52° 02' 38,1'' W 009° 29' 58,2''] Die Sonne scheint, Wolken gehören in Irland meist auch dazu, aber mit 15 °C dürfen wir uns nicht beklagen, schon gar nicht nach dieser Fahrt.  

Der Campingplatz ist groß mit Hard und Soft Pitches, viele mit eigenem Wasseranschluss. Die gesamte Anlage macht einen sehr sauberen und gepflegten Eindruck. Das lässt man sich aber auch bezahlen: 38 € pro Nacht, Waschmaschine 6,50 €, Trockner 4,50 €. Wir buchen uns für zwei Nächte ein. Mal sehen, was kommt und wie es weitergeht, wir lassen uns alle Optionen offen.  

Von hier aus führt die Straße nach Killarney hinein, neben dem Campingplatz gibt es eine Tankstelle mit einem immer offenen SPAR-Supermarkt, eine Bar und ein Chinese gleich nebenan sorgen für Nahrungsergänzung, wenn uns nicht nach kochen ist. Wir sind jedenfalls versorgt, Mangel werden wir nicht leiden, selbst wenn wir hier hängenbleiben sollten.  

Wir machen uns erst einmal lang und gönnen unseren Leibern Ruhe, wenn schon die Köpfe von den Eindrücken nicht zur Ruhe kommen wollen; so viel Emotion und Sensation macht müde. Nach einem kleinen Spaziergang mit den Mädels beglückwünschen wir uns für diesen Tag mit einem Gin Tonic und belassen es dabei. Wir sind wunschlos glücklich, vielleicht auch glücklich wunschlos und verspüren auch keinen Hunger; das Full Irish Breakfast bei Poff's wirkt noch nach.  

Aber dieser unvergleichlich schöne Tag hält noch eine Überraschung bereit. Beim Blättern durch die wichtigsten Websites sehen wir, dass der Irische Hovawartclub ein neues Profilbild auf facebook eingestellt hat: Hedda mit ihrer neuen Freundin Izzy! Wie lieb ist das denn?!  

Dabei wäre Fianna viel sinnstiftender gewesen, schließlich trägt sie einen irischen Namen. Egal…  



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Ring of Kerry / Kenmare