Der Bairische Blues fährt ins Blaue - und ist dann mal weg

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Loop Head / Miltown Malbay

Loop Head

Dienstag, 24.5.2022 

Wir verlassen die Junction Bar kurz nach 11 Uhr bei weiß-blauem Himmel und 13 °C.

Für die Reiseleiterin bricht heute wieder einmal ein ganz besonderer Tag an: Sie darf Fähre fahren! Der Weg nach Norden führt nur über den Shannon – oder um den Shannon herum. Das bedeutet jedoch, zurück bis Limerick und dann am Nordufer wieder den ganzen Schlauch retour; das sind von der Fähre ab gemessen mindestens 100 km. Unter diesen Umständen muss die Fährrückte keine Überredungskünste auspacken, um den Chauffeur von der Sinnhaftigkeit einer lustigen Fährfahrt zu überzeugen.

Und sie hat noch einen zweiten Trumpf in der Hand. Vorausschauend ist ihr nicht entgangen, dass die Überfahrt bei Vorausbuchung nur 27 € kostet, bei Direktbezahlung aber 30 €. Da hält eine Schwäbin nichts mehr, schon gar nicht, wenn das Ticket seine Gültigkeit ein ganzes Jahr behält. Über so etwas kann sie sich wie ein Schnitzel freuen und strahlt über alle Backen, als wir um 12:15 Uhr am Fährhafen (ShannonFerries) von Tarbert ankommen [N 52° 35' 13,0'' W 009° 21' 48,5''].  

Exakt um 12:38 Uhr heißt es ‚Leinen los' und um 12:55 Uhr haben wir den etwa drei Kilometer breiten Shannon überquert und liegen wieder fest. Mit der Flussüberquerung haben wir County Kerry hinter uns gelassen und bereisen nun die Grafschaft Clare.  

Wir wenden uns nach Westen und machen einen Zwischenstopp in Carrigaholt, der nur für Besucher Sinn macht, die gerne mit dem Schiff auf Dolphin-Spotting gehen oder sich für alte Gemäuer interessieren. Wir wollen keine Delphine im weiten Mündungsgebiet des Shannons sichten, zeigen aber Interesse am Carrigaholt Castle, dessen Bezeichnung als ‚Burg' für sich schon eine maßlose Übertreibung ist. Um 13:35 Uhr stellen wir den Franz auf dem Parkplatz von Carrigaholt Castle ab [N 52° 36' 00,8'' W 009° 42' 08,5''].  

Das Castle ist, wie alle diese alten Gemäuer, eine Ruine, aber einen Abstecher wert, weil es ein so genanntes Tower House, also Turmhaus, ist. Die Burg wurde um 1480 von den McMahons gebaut, die seinerzeit hier das Sagen hatten. Fünf Stockwerke bauten sie die Burg hoch, aber sonst nichts drumherum, weshalb es eine kleines mittelalterliches Hochhaus wurde. Diese Wohn- und Wehrtürme waren damals eine sehr beliebte Bauform, kompakt, praktisch und gut zu verteidigen, weshalb von den einst 8000 Wohntürmen Irlands bis heute etwa 2000 die Zeitläufte mehr oder weniger gut überstanden haben. 

Carrigaholt Castle ist noch relativ gut in Schuss, obwohl es, wie man ahnt, einiges mitmachen musste. Von der spanischen Armada wurde es einst belagert und streitsüchtige wie kampfbereite Herrschaften balgten sich um es. Zuletzt erwarb eine Familie Burton den Wohnturm und gab ihn schließlich Ende des 19. Jh. auf. Seither blickt er einsam und verlassen auf den Shannon und freut sich über Besucher wie wir.  

Um 14 Uhr fahren wir weiter nach Westen bis an die Spitze dieser Halbinsel zum Loop Head und seinem Leuchtturm und stellen uns um 14:30 Uhr auf den dazugehörigen Parkplatz [N 52° 33' 40,1'' W 009° 55' 50,1''].  

Jetzt ist uns erst einmal nach Pause und Kaffee. Dann dösen wir eine Runde und denken darüber nach, ob wir hier für die Nacht bleiben wollen. Um das herauszufinden, drehen wir eine Runde um den Leuchtturm und über die Klippen, die uns nicht sonderlich vom Hocker reißen, was an ihrer Statt aber der Wind tut: Er bläst, wie er es an diesen exponierten Stellen eben gerne tut. Gegen diesen Wind können die 14 °C nichts ausrichten: Es ist ein wenig garstig hier draußen.  

Farewell to Miltown Malbay

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Deswegen können wir uns nicht zu einer Klippen-Nacht entschließen, packen unsere Siebensachen wieder und fahren um 17:35 Uhr weiter. Jetzt hangeln wir uns die Nordküste der Halbinsel hoch bis Miltown Malbay, wo wir um 18:45 Uhr für diese Nacht auf Tom Malones Pub Parking [N 52° 51' 22,7'' W 009° 24' 10,0''] vor Anker gehen. Es hat 12 °C, regnet ein wenig und es ist windig.  

Tom Malones Pub Parking ist ein anspruchsloser, aber zentral liegender Stellplatz, gekiest, mit je einer Toilette für beide Geschlechter (die Diversen müssen sich entscheiden), V+E, ohne Firlefanz und kostet 15 € die Nacht. Strom, auf den wir verzichten, wird extra berechnet. Der Platz ist sehr ordentlich, ohne Anspruch auf Exklusivität, aber sicher nicht, wie es ein Forums-Poster ausdrückte: "underwhelming". Dieser Stellplatz erfüllt seinen Zweck, und mehr muss es auch nicht sein.  

Die Fahrt über Land hierher führt uns durch ein für uns neues Irland. Die Straßen sind angenehm zu fahren, vor allem, weil die meisten Touristen heute in Richtung Dingle abgebogen sind, weshalb uns die Straßen größtenteils allein gehören. Die Landschaft erinnert stark an Norddeutschland oder Holland: sehr flach, viel Grasland mit Kühen, die die Schafe offenbar hier verdrängt haben. Angesichts dieser Rinderübermacht stellen wir uns die Frage, ob die berühmte streichfähige Kerrygold-Butter gar nicht aus Kerry kommt, sondern gar aus dem County Clare?  

Wir gehen um die Ecke ins Old Bakehouse, das nicht Tom Malone gehört, wie offenbar die Hälfte der Stadt. Es ist gemütlich hier und der Service lässt einiges erhoffen. Als Vorspeise entscheiden wir uns für Salat mit Ziegenkäse (einer für uns beide), der wie in Frankreich schmeckt (Der Chef hat seine internationalen Kochkünste überall auf der Welt erworben, unter anderem auf Kreuzfahrern und – beim Glastonbury Festival). Die Reiseleiterin wählt anschließend den ersten Fishpie auf unserer Reise, der sehr geschmeidig über die Lippen geht, und der Chronist wählt ein Hähnchencurry mit Reis, das sehr scharf daherkommt, aber ausgesprochen lecker ist. Mit Bier und Wein lassen wir 63 € liegen und würden dasselbe morgen gleich nochmal ausgeben. 

Gegen 21 Uhr sind wir zurück, es hat 11 °C und der Wind treibt Regen vor sich her. Schön langsam ist der Chronist überzeugt, dass er in diesem Land nie mehr gesund werden kann.  

Und noch etwas drückt ein wenig auf die Stimmung: Die Arbeit an unseren Reisenotizen lässt immer weniger Freude aufkommen, weil die Internet-Versorgung kläglich ist. Wir haben hier zum Teil vollen LTE-Empfang, aber unser lausiger Router liefert kaum etwas davon. Unter diesen Umständen kann man sich beim Däumchendrehen vor allem an komplexen Fingerknoten üben und darin sogar eine gewisse Fertigkeit erreichen. Wir greifen unsere, bei der Reiseleiterin schon erschöpften, Datenvolumen ab, was finanziell inzwischen schon für mehrere Diner reichen würde.  

Das schweißt uns mit unseren Verfolgern zu einer Schicksalsgemeinschaft im Wartestand zusammen. Wartet nur, dann seht ihr's schon!  

Cliffs of Moher / Doolin
Kissane Sheep Farm / Camp